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MS-Forum Dr. Weihe

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Multiple Sklerose - kurz und bündig


8 Der Verlauf der MS

Es wird geschätzt, dass die MS in 85% primär schubförmig beginnt (Weinshenker et al. 1989). In etwa der Hälfte dieser Fälle kommt es im weiteren Verlauf zum Übergang in das progrediente Stadium. Die primär progrediente MS (15%) nimmt eine Sonderposition ein und wird von einigen Autoren sogar als Sonderform von der MS ausgegliedert. Ich werde sie hier nicht weiter berücksichtigen. Wie wir sehen werden, gibt es ein breites Spektrum von MS-Verläufen, das sich von „stummen“ Formen über milde Ausprägungen mit wenigen Schüben bis hin zu aggressiven Verlaufstypen erstreckt, die innerhalb von Wochen und Monaten zu Bettlägerigkeit und sogar zum Tod führen können.

    Die 4 Verlaufsformen der MS

  • schubförmig-remittierend (relapsing-remitting)
  • primär progredient (primary progressive)
  • sekundär progredient (secondary progressive)
  • progredient-remittierend (progressive relapsing)

Wie die MS verläuft, hängt theoretisch von vier Faktoren ab:

  1. der Krankheitsaktivität (Herdproduktion pro Jahr);
  2. der Krankheitsaggressivität (Ausmaß der Zerstörung in den Herden: black holes?);
  3. 1.der Entzündungsaktivität in den Herden (Schwelt der Entzündungsprozess weiter oder ist er erloschen: „Ringstrukturen“?); und
  4. 1.der Lokalisation der Herde („stumme“ oder „redselige“ Hirnregionen?).

Beginnen wir mit der Krankheitsaktivität. Als Grad der Krankheitsaktivität gelten die Zahl und die Größe der Herde, die pro Jahr produziert werden. Als gute Faustregel gilt: Die Krankheitsaktivität nimmt im Laufe der Jahre ab

Natürlich spielt auch die Art der Herde spielt eine wichtige Rolle. Handelt es sich um Typ-1-Herde, in denen die Oligodendrozyten nur geschädigt, aber nicht vollständig vernichtet werden, kann der entstandene Schaden durch Remyelinisierungsvorgänge weitgehend wieder repariert werden. Ist die Zerstörungsprozess aggressiver, wie in den Typ-2-Herden, dann gibt es keine effektiven Reparaturvorgänge.

Zerstörerisch können sich auch rezidivierende Entzündungswellen in chronisch aktiven Herden auswirken.

Der letzte wichtige Faktor ist die Lokalisation. Herde können sich an strategisch wichtigen oder an strategisch unwichtigen Stellen im zentralen Nervensystem entwickeln. So können mehrere Herde mitten im Marklager des Gehirns keine klinisch fassbaren Symptome zur Folge haben, während ein kleiner Herd im Rückenmark zu einer bleibenden Querschnittslähmung führt.

8.1 Was ist ein Schub?

Nach Poser (1992) spricht man von einem Schub, wenn

Nicht als Schub zu zählen sind rezidivierende, wellenförmige Wiederholungen derselben Symptome, sogenannte Fluktuationen. Von „Pseudoschüben“ wird gesprochen, wenn sich die Symptomatik unter äußeren Einwirkungen (Hitze, Infekten oder Stress) verschlimmert.

8.2 Schub und Reaktivierung

Nach Poser sind auch eindeutige Verschlechterungen vorbestehender Symptome als Schub zu zählen. Es gibt jedoch gute Gründe, diese von „echten“ Schüben zu unterscheiden. Ich möchte das kurz erklären.

Der erfahrene Neurologe versucht aus der Symptomatik des Schubes Rückschlüsse darauf zu ziehen, was sich im zentralen Nervensystem seines Patienten abspielt. Er blickt sozusagen durch den Schub hindurch auf den Herd im Gehirn oder im Rückenmark. Sein Gedankengang läuft in etwa so. Es gibt drei Arten von Schüben:

  1. Schübe, die mit einem ganz neuen Symptom in Erscheinung treten;
  2. 1.Schübe, bei denen ein früheres Symptom wiederauftaucht; und
  3. Schübe, bei denen sich ein bereits bestehendes Symptom deutlich verstärkt.

Nur im ersten Fall handelt es sich um einen oder mehrere neue Entzündungsherde, im zweiten und dritten Fall handelt es sich um ein Wiederaufflackern der Entzündung in einem alten, nicht ganz ausgeheilten Herd (Reaktivierung in „Ringstrukturen“), während bei den Fluktuationen und Pseudoschüben eher davon auszugehen ist, dass es sich um Überempfindlichkeiten der entmarkten Nerven bzw. Reizerscheinungen in einem vernarbten Herd handelt.

Einen weiteren wichtigen Hinweis kann die Rückbildung der Symptome geben: Ist sie vollständig, handelt es sich vermutlich um einen Typ-1- oder „Schattenherd“, wenn nicht, ist ein Typ-2-Herd (black hole) wahrscheinlich. Trotzdem haftet der Entscheidung „Schub – kein richtiger Schub“ immer etwas Willkürliches an.

Frischer Schub?

Ein 32jähriger Patient berichtet, dass er seit 3 Tagen eine zunehmende Schwäche und Taubheit im linken Bein verspüre. Die MS hat vor 5 Jahren mit einem Lhermitteschen Zeichen und einrr ganz ähnlichen Halbseitensymptomatik links begonnen. Er fragt: „Habe ich einen frischen Schub?“

Nach der Poser-Definition: Ja. Dennoch scheint es mir hier sinnvoller zu sein, von einer schubartigen Verschlechterung im Rahmen einer Reaktivierung eines Herdes im Zervikalmark zu sprechen. Der „Lhermitte“ beweist nahezu, dass ein spinaler Herd vorliegt, und der Entzündungsprozess in diesen Herden neigt dazu, immer wieder aufzuflackern. Als praktische Konsequenz würde ich in diesem Fall auf eine Cortison-Behandlung verzichten (siehe unten).

8.3 Warum kann eine MS sekundär progredient werden?

Bei der MS sind zwei Prozesse voneinander zu unterscheiden: Das eine ist die Produktion neuer Herde, also der wiederholte, zeitlich gestaffelte Angriff auf die weiße Hirnsubstanz. Wie bereits erwähnt, nimmt die Herdproduktionsrate im Laufe der Jahre ab und kommt schließlich ganz zum Erliegen. In demselben Zeitraum – und das ist der andere Prozess – schwelt der Entzündungsprozess in einigen Herden untergründig weiter und führt zu einem kontinuierlichen Absterben von Nervenfasern.

Wir haben also zwei Vorgänge, die sich überlagern: Eine abnehmende Produktion von Herden bzw. Schüben, und zunehmende Ausfälle durch schleichende Axonverluste. Irgendwann einmal treten die Schübe in den Hinter- und der Zerfallsprozess in den Vordergrund. Dann ist die Schwelle zum chronisch progredienten Stadium erreicht.

„Bin ich schon im progredienten Stadium?“

Das ist eine häufig zu hörende, bange Frage, wenn sich z.B. eine Gangstörung langsam verschlechtert. Die meisten Patienten (aber auch viele Ärzte) verbinden damit die Vorstellung, dass es nun langsam, aber sicher bergab gehe und man sich praktisch jetzt schon ausrechnen könne, wann man im Rollstuhl lande. Es ist nicht abzustreiten, dass es einen solchen Verlauf tatsächlich gibt, häufiger ist jedoch der progrediente Verlauf, der ein Plateau erreicht, der sich also einem bestimmten Behinderungsgrad wie einer Asymptote annähert und dort mit Schwankungen zum Stillstand kommt. Das ist in vielen Fällen schon vor dem Rollstuhlstadium der Fall.

Ob es in allen Herden zu einem schleichenden Axonuntergang kommt, ist mehr als zweifelhaft. Vermutlich steht er in den Typ-1-Herden im Hintergrund und ist am ausgeprägtesten in den so genannten schwarzen Löchern.

8.4 Was ist die Kurtzke-Skala?

In den 50er Jahren wurde von dem amerikanischen MS-Forscher Kurtzke die „Disability Status Scale“ (DSS) entwickelt, die sich als Kurtzke-Skala weltweit durchgesetzt hat. Sie reicht von 0 (gesund) bis 10 (tot). Ein Behinderungsgrad von 4 bedeutet z.B., dass eine Patientin eine Gehstrecke von 500 m ohne Hilfe und ohne Pause zurücklegen kann. Bei einem Behinderungsgrad von 6 ist eine einseitige Hilfe beim Gehen erforderlich, und ab 7 besteht Rollstuhlabhängigkeit.

Die Kurtzke-Skala

  1. = neurologische Untersuchung ohne Befund
  2. = Keine Behinderung. Geringe neurologische Zeichen
  3. = Minimale Behinderung wie z.B. leichte Schwäche oder geringe Gefühlsstörung.
  4. = Mäßiggradige Behinderung (z.B.. Monoparese, mäßige Ataxie), aber voll gehfähig.
  5. = Relativ schwere Behinderung bei noch voll erhaltener Gehfähigkeit und voller Selbständigkeit. 12 Stunden pro Tag munter.
  6. = Gehfähig ohne Hilfe und Rast für etwa 200 m. Behinderung schwer genug, um tägliche Aktivität zu beeinträchtigen (z.B. ganztägig zu arbeiten ohne besondere Vorkehrungen).
  7. = Bedarf zeitweise, oder auf einer Seite konstant, der Unterstützung (Krücke, Stock), um etwa 100 m ohne Rast zu gehen.
  8. = Weitgehend an den Rollstuhl gebunden. Bewegt den Rollstuhl selbst und transferiert ohne Hilfe.
  9. = Weitgehend an Bett oder Rollstuhl gebunden, kann nicht allein transferieren, pflegt sich aber weitgehend selbständig.

Der Kurtzke-Skala ist zu Recht vorgeworfen worden, dass sie zu einseitig die Gehfähigkeit berücksichtigt und Patienten nicht gerecht wird, bei denen eine Ataxie der Hände, eine Sehminderung oder ein Müdigkeitssyndrom im Vordergrund stehen. Darum wurde die Kurtzke-Skala 1983 zur EDSS (expanded disability status scale) erweitert. Als Grundskelett ist die alte Skala erhalten geblieben (etwa die Rollstuhlabhängigkeit ab Grad 7.0). Im Gegensatz zur DSS werden jedoch die Beeinträchtigungen in den verschiedenen Funktionssystemen, also die geistige Leistungsfähigkeit, das Sehen, die Koordination, die Kontrolle über die Blase usw., getrennt beurteilt und nach Schweregrad gewichtet. Dann wird aufgrund einer Tabelle ein Gesamtpunktwert ermittelt. Als Beispiel sei die Definition des Schweregrades 3.5 auf der EDSS genannt: „Mittelgradige Behinderung (Grad 3) in einem Funktionssystem und zwei oder drei Funktionssysteme Grad 2 oder zwei Funktionssysteme Grad 3 oder fünf Funktionssysteme Grad 2. Voll gehfähig.“

Auch die erweiterte Kurtzke-Skala hat ihre Probleme. Sie ist genauer, dafür aber wesentlich komplizierter. Deshalb ist die sogenannte Interrater-Variabilität hoch. Mit diesem Wortungetüm werden die unterschiedlichen Beurteilungen des Behinderungsgrades bezeichnet, wenn z.B. 10 verschiedene Neurologen ein und denselben Patienten untersuchen und klassifizieren. Selbst bei trainierten Neurologen betragen diese Schwankungen bis zu 1.5 Punkte auf der Kurtzke-Skala.2

8.5 Was ist eine „stumme“ MS?

Tatsächlich gibt es Formen der MS, die sich nie bemerkbar machen, oder allenfalls zu so flüchtigen Störungen führen, dass niemand auf die Idee käme, sie für MS-Symptome zu halten. Dies Fälle werden als Zufallsbefund bei Obduktionen entdeckt. Diese wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts sehr viel häufiger vorgenommen als heutzutage. Aus dieser Zeit wissen wir, dass nicht selten bei Mesnchen, die an einem Herzinfarkt oder an den Folgen eines Verkehrsunfalls gestorben waren, typische MS-Herde im Gehirn gefunden wurden. Hierbei handelte es sich um reine Zufallsbefunde, und die nachträgliche Analyse der Krankenakten ergab, dass sie nie wegen neurologischer Beschwerden einen Arzt aufgesucht hatten.

Man kann also eine MS haben und nichts davon merken. Das steht im offenkundigen Widerspruch zu dem düsteren Leumund der Erkrankung, und es ist nicht von geringem Interesse abzuschätzen, wie hoch wohl dieser Anteil von „stummer“ MS sein mag. Hierzu existieren zwei größere Studien, die eine genügend genaue Aussage zulassen (Georgi 1961, Gilbert 1983). Wenn man beide zusammennimmt, ergibt sich, dass die Häufigkeit „stummer“ MS-Fälle etwa 1:1000 beträgt und damit genauso hoch ist wie die Häufigkeit von diagnostizierten MS-Erkrankungen in Deutschland. Das heißt: Auf jeden diagnostizierten MS-Fall kommt einer, der so milde verläuft, dass er sich dem klinischen Nachweis entzieht. Oder anders gesagt: Die Hälfte alle MS-Erkrankungen verläuft stumm (Bates 1994).

8.6 Was ist eine „gutartige“ MS?

Wenn man will, kann man die „stummen“ MS-Fälle als Extremform der gutartigen MS-Verläufe ansehen. Beim benignen Verlauf ist die Lebenserwartung nicht verkürzt, und es kommt im Laufe des Lebens zu keiner wesentlichen Behinderung. Im Gegensatz zu den stummen Fällen, ist hier die Diagnose einer MS gesichert. Konkreter verstehen viele Autoren darunter einen Verlauf, bei dem der EDSS 10 Jahre nach Krankheitsbeginn EDSS unter oder gleich 3 beträgt.

In der Literatur ist man sich weitgehend einig, dass der Anteil von benignen Verlaufsformen, der statistisch erfasst werden kann, 20% beträgt. Dazu kommen aber noch eine ganze Reihe von Fällen, die sich der Langzeitbeobachtung und damit der statistischen Analyse entziehen, weil die Betroffenen, denen es gut geht, selten oder nie wieder in einer Nervenarztpraxis, einer neurologischen Abteilung oder in einer Rehabilitationsklinik auftauchen. Zum Teil sind sie auch bei einem Homöopathen oder bei einem Heilpraktiker in Behandlung und fühlen sich dort gut aufgehoben. Das heißt natürlich nicht, dass die homöopathische Behandlung der schulmedizinischen überlegen sein muss, aber den Patienten geht es gut, warum sollten sie dann nicht dabei bleiben?

Als Regel gilt: Je milder der Verlauf ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich der statistischen Erfassung entziehen. Damit ist der Anteil der schweren Fälle in den Studien, die ja normalerweise von Krankenhäusern oder Unikliniken durchgeführt werden, notorisch überrepräsentiert. Hierzu gibt es eine interessante Untersuchung der Universitätsnervenklinik Göttingen. In einem Gebiet, in dem alle MS-Patienten erfasst worden waren, wurden 200 willkürlich herausgegriffene Patienten mit 200 Patienten verglichen, die in einer Krankenhausstudie untersucht worden waren. Der Anteil der gutartigen Fälle, bei denen Schübe selten auftraten und die Tendenz zum Fortschreiten gering war, betrug in der ersten Gruppe 36%, während nur 16% der Krankenhausserie einen entsprechend günstigen Verlauf zeigte (HJ Bauer 1996).

Darf ich schwanger werden?

Insgesamt hat eine Schwangerschaft keinen Einfluss auf den langfristigen MS-Verlauf. Bekannt ist, dass im letzten Trimenon Schübe seltener, dafür im Wochenbett häufiger sind. Im Schnitt bleibt die Schubrate gleich. Von daher sollte man also nicht von einer Schwangerschaft abraten. Auch die Weitergabe einer genetischen Disposition ist, wie bereits oben ausgeführt, kein Grund, auf eine Schwangerschaft zu verzichten. Eine ernstzunehmende Frage ist jedoch: Wie wird meine Krankheit weiter verlaufen? Werde ich in der Lage sein, mein Kind zu versorgen? Wenn sich Hinweise darauf ergeben, dass die Krankheit rasch fortschreitet, dann sollte man darüber mit der Betroffenen sprechen.

8.7 Wie ist der natürliche Verlauf der MS?

Zum Verlauf der MS hatten wir bereits festgestellt, dass diese in der Hälfte der Fälle klinisch stumm verläuft. So wie ein Fischer, der mit einem Netz mit immer engeren Maschen fischt, immer kleinere Fische fängt, so nimmt auch der Anteil der „Mini-Formen“ der MS durch die verfeinerte Sensitivität der Diagnostik zu. Die früher unerkannt gebliebenen Fälle werden jetzt zunehmend diagnostiziert. Das wird auch durch epidemiologische Studien bestätigt.

Eine wichtige Studie stammt aus dem Jahr 1971. Die Einwohner von Rochester, Minnesota, wurden retrospektiv über 60 Jahre analysiert. Es zeigte sich, dass 74% der MS-Patienten 25 Jahre überlebten, im Vergleich zu 86% der Bevölkerung allgemein. Am Ende der 25 Jahre waren ein Drittel der überlebenden Patienten weiterhin arbeitsfähig und zwei Drittel gehfähig.3

Eine der großen Längsschnittuntersuchungen zeigte 1991, dass nach 15 Jahren 50% aller MS-Betroffenen wenigstens zeitweise eine Gehhilfe benötigen, nach 30 Jahren sind es 80%. Derselbe Autor, Weinshenker von der Mayo-Klinik in Minneapolis, hat jetzt (2004) eine erneute Studie in Neurology veröffentlicht, die sich auf 162 MS-Patienten bezieht, die 1991 erfasst und neurologisch genau untersucht worden sind. Alle bis auf einen einzigen Patienten konnten nach genau 10 Jahren nachuntersucht werden. Das überraschende Ergebnis war, dass die meisten Patienten stabil blieben oder nur eine minimale Progression zeigten. Die durchschnittliche Verschlechterung des EDSS nach 10 Jahren betrug für die gesamte Gruppe 1 Punkt. Damit zeigt sich, dass sich die Prognose bereits in dem relativ kurzen Zeitraum von 1991 bis 2001 scheinbar deutlich verbessert hat. Scheinbar, weil der günstigere Verlauf auf der sensitiveren Diagnostik und nicht auf therapeutischen Fortschritten beruht. Da nur 15% der Patienten jemals Betainterferone erhalten hatten und die Hälfte von diesen einen EDSS von 6 oder mehr hatten, also eine Auswirkung auf den Langzeitverlauf sehr wenig wahrscheinlich ist, können die Zahlen einen guten Anhalt für den natürlichen Verlauf der MS geben. Die Autoren fassen ihr Ergebnis so zusammen: Je länger die MS besteht und je geringer der Behinderungsgrad ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Krankheit stabil bleibt und die Behinderung nicht weiter fortschreitet.

Bleibt natürlich die wichtige Frage: Kann man diese Patienten frühzeitig und zuverlässig erkennen? Moses Rodriguez, der Senior-Autor der Studie, sagte in einem Interview: Ob eine gutartige MS vorliege könne sogar schon nach einer Krankheitsdauer von 5 Jahren zuverlässig abgeschätzt werden, wenn man den bisherigen Krankheitsverlauf sorgfältig analysiere. „Diese Studie wirft Fragen auf, ob das gängige Dogma, alle MS-Patienten so frühzeitig wie möglich medikamentös zu behandeln, aufrecht gehalten werden kann.“


2 DE Goodkin e.a. Inter- und intrarater scoring agreement using grades 1.0 to 3.5 of the Kurztke Expanded Disability Status Scale (EDSS). Neurology 1992; 42: 859-863
3 Percy AK, Nobrega FT, Okazaki h: Multiple sclerosis in Rochester, Minnesota: A sixty-year appraisal. Arch Neurol 25:105, 1971.

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